Der Jakobsweg ist vermutlich der bekannteste Pilgerweg der Welt. Eine 800 Kilometer lange Herausforderung. Und eine Strecke, um die so viel Rummel gemacht wird, dass es auch ein bisschen abschrecken kann. Aber wer sich auf ihn einlässt, wird merken, dass dieser Weg tatsächlich etwas Besonderes ist.
Hape Kerkeling und der Jakobsweg-Boom
Hape Kerkeling gehört zu den Menschen, die den Ruhm des Weges noch vergrößert haben. Sein Bestseller “Ich bin dann mal weg”, der inzwischen nicht minder erfolgreich verfilmt wurde, hat einen wahren Jakobsweg-Boom ausgelöst. Und so mancher, der den Weg seither gegangen ist, hat das insgeheim auch ein bisschen wegen des berühmten Vorgängers gemacht.
Berühmter “Camino Frances”
Dabei gibt es nicht nur „den“ Jakobsweg, sondern gleich mehrere – in Deutschland und Frankreich, Italien, England und anderen Ländern. Viele davon vereinigen sich in den Pyrenäen zu jenem berühmten Weg, den auch Hape Kerkeling gegangen ist, dem „Camino Frances“.
Pilgerweg nach Santiago de Compostela
Es ist ein uralter Weg, den Menschen schon vor 1000 Jahren gegangen sind. Ihr Ziel war das Grab des Apostels Jakobus in der Kathedrale von Santiago de Compostela (Spanien). Dann geriet er in Vergessenheit, bis in den 1970er Jahren der Papst Santiago besuchte. Den nächsten Boom löste Hape Kerkeling aus, nachdem er den Weg 2006 gegangen war.
Auslöser der Pilgerfahrt ist oft eine Krise
Oft ist es eine persönliche Krise, die Menschen auf den Jakobsweg treibt. Eine Krankheit, der Verlust eines geliebten Menschen oder einfach eine Situation, in der einem alles zuviel wird. „Ich bin dann mal weg“ ist eine Möglichkeit, mit jedem Schritt ein bisschen mehr zu sich zurückzufinden.
Die Jakobsmuschel weist den Weg
Ausgangspunkt des Camino Frances ist der kleine Pyrenäen-Ort Saint-Jean-Pied-de-Port. Hier herrscht fast das ganze Jahr über Aufbruch-Stimmung. Letzte Einkäufe werden gemacht, aber er lockt, der Weg. Dass er es in sich hat, spürt man allerdings sehr schnell. 1000 Meter Höhenunterschied an einem Tag sind keine Seltenheit in den Pyrenäen.
Später sind die Etappen nicht mehr so bergig, aber herausfordernd bleiben sie immer. Die Pilger streben der Jakobsmuschel nach, die ihnen auf Schildern, auf Steinen und an Mauern den Weg weist.
Landschaften von lieblich bis bizarr
Wer nur um des Gehens willen geht, der übersieht die Landschaft. Mal bergig und bizarr, mal lieblich, mal einsam und mal voller Menschen. Es gibt Strecken, die sich kilometerweit durch menschenleere Ebenen ziehen. Und Bereiche, die mitten durch Städte führen. Es gibt wilde Wälder und Wüstenlandschaften. Manchmal ist es schwer, voranzukommen. Wenn Regen peitscht oder die Gluthitze jeden Schritt zur Qual macht, wenn die Füße Blasen werfen oder ein Moment der Verzweiflung kommt, weil dieser Weg einfach kein Ende nehmen will.
Kultur als Pausenprogramm
Aber aufhören? Nein, das will niemand, der sich einmal aufgemacht hat. Manchmal gönnt man sich eine Pause, um sich Pamplona oder Burgos, Léon oder Astorga anzusehen. Eine Pause in Badelatschen, weil die Füße einen Tag Pause von den Wanderschuhen brauchen. Und der Kopf andere Bilder als nur Landschaften. Häuser, Museen und Straßenlokale bieten willkommene Abwechslung.
Das Brötchen wird zum Sterne-Menü
Die Pausen, sie werden zelebriert, der Milchkaffee und das Brötchen genossen wie ein Sterne-Menü. Der Rucksack steht daneben, als stumme Mahnung. Irgendwann muss es weitergehen, auch wenn die Füße noch so protestieren. Mancher ringt sich nur zu fünf Kilometern am Tag durch, andere schaffen über 30. Im Schnitt wandern die Pilger zwischen 20 und 30 Kilometer pro Tag. Ziel ist die Pilgerherberge, in der man meist für fünf, sechs Euro übernachten kann. Dafür schläft man in Mehrbettzimmern und teilt sich die Dusche mit den Mitschläfern.
Pension: Eine Nacht ohne Schnarch-Konzert
Ab und zu muss es dann aber doch eine Pension sein. Mit einem weichen Bett mit Decke statt Schlafsack und einer eigenen Dusche – eine Nacht ohne Schnarch-Konzert. Luxus pur.
Pilgermenü – natürlich mit Wein
Platz 3 auf der Liste der wichtigsten Dinge des Tages belegt – hinter dem Bett und der Dusche – das Essen. Beliebt sind die Pilgermenüs (Menu del peregrino), die man für etwa zehn Euro bekommt. Drei Gänge, natürlich mit Wein, reichen, um für die nächste Etappe gewappnet zu sein.
Nie schmeckte Wasser so lecker
Für unterwegs kaufen sich die Pilger noch Süßigkeiten, Obst und – vor allem – Wasser. Und lassen keine Trinkwasserquelle an der Strecke links liegen. Wer hätte gedacht, dass gewöhnliches Wasser so unglaublich lecker schmecken kann?
Ein bisschen Verzweiflung gehört dazu
Die meisten Pilger benötigen etwa 30 bis 35 Tage für den Jakobsweg. Und die haben es in sich: Man ist fröhlich und verzweifelt, gelassen und dann wieder traurig, manchmal alles kurz hintereinander.
Die Strapazen lösen uralte Knoten im Kopf und im Herzen, und so mancher harte Kerl fängt plötzlich an zu weinen. Der Jakobsweg, er macht so etwas mit den Wanderern. Denn er ist immer auch ein Weg zu sich selbst. Und das tut manchmal weh.
Jedes Gramm Gepäck muss getragen werden
Doch so schnell wie der Zusammenbruch kam, ist er auch wieder verschwunden. Der Weg fordert Aufmerksamkeit, der Rucksack wird immer schwerer, die Strecke aber immer kürzer. Wer den Rat anderer befolgt hat und nur das Nötigste mitgenommen hat (mehr als zehn Kilogramm sollte man nicht schleppen, und viel mehr als zwei, drei Shirts und Hosen, Unterwäsche, eine wärmere Jacke, gute Wanderschuhe, Regenschutz, Pflaster, eine Wasserflasche und einen kleinen Fotoapparat braucht man auch nicht), ist jetzt froh über jedes Gramm, das er nicht tragen muss.
Freunde für eine Etappe oder fürs Leben
Unterwegs ist man mit sich allein – auch wenn man zu zweit wandert. Die Strecke lässt jedem viel Zeit zum Nachdenken. Aber immer wieder gibt es Begegnungen. Gespräche, die in Erinnerung bleiben. Man schließt Freundschaften für eine Etappe. Oder fürs Leben. Und ist froh, jemanden neben sich zu haben, wenn man Santiago de Compostela erreicht (Foto oben). Die Euphorie, sie will geteilt werden. Und zur Freude darüber, es geschafft zu haben, gesellt sich auch ein bisschen Wehmut. Darüber, dass es vorbei ist.
Jakobsweg – Infos
- Anreise Saint-Jean-Pied-de-Port: Von Paris (Gare Montparnasse) mit dem Zug nach Bayonne (5.10 Stunden). Ab Bayonne mit dem SNCF-Zug nach Saint-Jean-Pied-de-Port (Fahrzeit: 1.20 Stunden, es gibt drei bis fünf Fahrten pro Tag, Info: www.sncf.com)
- Gepäck: Personalausweis, Wanderschuhe (gut eingelaufen), Blasenpflaster, individuell angepassten Rucksack, Karte/Reiseführer. Tipp: maximal 10 Kilogramm Gepäck mitnehmen
- Pilgerpass: Credencial del Peregrino. Man bekommt ihn bei den Jakobus-Gesellschaften (Online-Antrag z.B. unter dem folgenden Link). Mit dem Ausweis kann man für wenig Geld bzw. eine Spende in den Pilgerherbergen übernachten. In Pfarrbüros, bei Tourist-Infos und in Herbergen bekommt man einen Stempeleintrag. Wer mindestens die letzten 100 Kilometer auf dem Camino zu Fuß zurückgelegt hat, bekommt am Ende eine Pilgerurkunde in der Kathedrale von Santiago de Compostela
- Beste Pilgerzeiten: Frühjahr und Herbst
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