Nüscht wie raus nach Wannsee

Von Silke 11. April 2018 Kommentare 5 Min. Lesezeit
Wannsee Foto: Karl-Heinz Liebisch / PixelioWannsee Foto: Karl-Heinz Liebisch / Pixelio

Im Namen Wannsee steckt Musik. Das Lied von der Badehose, das vor sehr langer Zeit Conny Froboess gesungen hat, ist sicher ein bisschen Schuld daran, dass man den See auch außerhalb von Berlin kennt. Wannsee, das klingt ein bisschen nach Urlaub, auch wenn das Mittelmeer weit weg ist. Dass der See eigentlich eine große Bucht der Havel ist und damit eigentlich kein See, interessiert nun wirklich niemanden. Aber den Stadtteil, der nach dem Gewässer benannt ist, den sollte man sich nicht entgehen lassen. Mit seiner reizvollen Natur und den wunderschönen Bauwerken ist Wannsee ein perfektes Ziel für einen Spaziergang.

Wannsee: Sommerfrische mit Bahnanschluss

Idealer Startpunkt ist der S-Bahnhof Wannsee. Wussten Sie, dass der namensgebende See früher „Wannensee“ hieß? Das passt, immerhin wird er gern auch als Badewanne Berlins bezeichnet. Und das vollkommen zu Recht: Bei schönem Wetter scheint sich ganz Berlin im Strandbad und in den nahen Buchten zu versammeln. 1874 wurde die Bahnstation „Wannensee“ in Betrieb genommen, das heutige Gebäude im expressionistischen Stil schuf Richard Brademann im Jahre 1928. Zu den auffälligen Details gehören seine spitzwinklig zulaufenden Fensteröffnungen.

Blick auf die Ausflugsschiffe

Vom Bahnhof aus muss man nicht weit gehen, um das Wasser des Wannsees zu sehen – ein Blick nach schräg links reicht schon. Und dann gibt es kein Halten mehr: Zwar gibt es hier keinen klassischen Hafen, aber eine Promenade mit Eisbuden und Ticketschaltern für die Ausflugsschiffe. Und die Luft riecht nach Wasser.

Einkehr bei Loretta

Wer den Anblick länger genießen möchte, kehrt in der Loretta am Wannsee ein. Dass hier eine Almhütte steht, irritiert vielleicht ein bisschen – fühlte man sich doch gerade ein bisschen wie am Mittelmeer. Aber im Sommer zieht es sowieso alle in den Biergarten mit dem Weitblick über den See.

Besuch in der Colonie Alsen

Eine Currywurst mit Pommes, dazu ein Bier – und dann geht es los: vom Kronprinzessinnenweg links zur Potsdamer Chaussee und nach einigen Blicken auf Segelschiffe und Fähren hinter der Wannseebrücke rechts in die Straße Am Großen Wannsee. Hier beginnt die Colonie Alsen, die der Bankier Wilhelm Conrad 1863 gegründet hatte. Der kümmerte sich auch um die Bahnverbindung. Architekt der Colonie war der Gartenbaudirektor Gustav Meyer, der der Villenkolonie die Form eines Hippodroms gab. Mitten hindurch verläuft die Königstraße.

Prachtvolle Sommerresidenzen

Wenn man sich die Lage am Wannsee anguckt, ist es nicht weiter erstaunlich, dass die Colonie Alsen schnell berühmte und reiche Menschen anlockte. Schon bald entstanden die ersten prächtigen Sommerresidenzen – so mancher nahm den Ruf „nüscht wie raus nach Wannsee“ so wörtlich, dass er gleich hinzog. Zu den Villen gehörten riesige Gärten mit Bootsstegen. Leider sind nur noch wenige der alten Landhäuser erhalten.

Yacht- und Segelclubs

Eines davon ist die Villa Arons (Am Großen Wannsee 5), die Hermann von der Hude und Julius Hennicke 1875 für den Bankier Heinrich Leo erbauten. Der Spaziergang geht weiter – vorbei an Yacht- und Segelclubs und der kleinen norwegischen Stabkirche auf dem Grundstück der Baltischen Segler-Vereinigung.

Historische Villen

Genauere Blicke verdient auch das Haus Springer (Nr. 3+9), das Alfred Messel 1901 für den Verleger Ferdinand Springer erbaut hat. Und die Villa Hamspohn, die 1906 von Paul Baumgarten erbaut wurde.

Besuch bei Max Liebermann

Gleich nebenan steht die Liebermann-Villa, die Paul Baumgarten für den Maler Max Liebermann erschaffen hat. Der Künstler nutzte den prachtvoll gestalteten Garten mit Wansee-Zugang viele Jahre lang als Freiluft-Atelier. Haus und der wiederhergestellte Garten sind heute ein sehenswertes Museum. Gleich neben der Liebermann-Villa steht das 1899 erbaute Landhaus Langenscheidt mitsamt Stallgebäude.

Haus der Wannsee-Konferenz

Nach dem Besuch der Liebermann-Villa geht es vorbei an der Brasch-Villa (Nr. 36, erbaut von Hermann Muthesius, heute Havel-Club), dem Landhaus Oppenheim (Zugang über die Straße Zum Heckeshorn Nr. 38, Wannsee-Institut) und der romantischen Villa Herz (Nr. 52-54) zum Haus der Wannsee-Konferenz. Darin wird mit einer verstörenden Ausstellung an die furchtbaren Ereignisse des 20. Januar 1942 erinnert: An diesem Ort wurde die Durchführung des Massenmordes an den Juden beschlossen.

Ferdinand Sauerbruchs Ruhestätte

Weiter geht der Spaziergang bis zur Straße Zum Heckeshorn, dann links und auf der Straße zum Löwen und der Lindenstraße zum Neuen Friedhof Wannsee mit der Andreaskirche. Berühmte Menschen wurden hier begraben, darunter Ferdinand Sauerbruch und Hermann von Helmholtz.

Schöne Landhäuser

Nun wandern wir auf der Hugo-Vogel-Straße zur Königstraße, kreuzen sie und gehen in den von schönen Landhäusern gesäumten Grassoweg. Auf der Petzower Straße erreichen wir wieder die  Königstraße. Hinter der St.-Michael-Kirche und dem einstigen Rathaus Wannsee geht es links in die Chausseestraße.

Einkehr bei Mutter Fourage

Unbedingt anhalten sollte man am Hofcafé Mutter Fourage (Nummer 15a). Das ist eines der ungewöhnlichsten und liebenswürdigsten Cafés, die ich kenne, mit Tischen zwischen Hochbeeten, einer behutsam umgebauten Scheune und Leckereien in Bio-Qualität.

Nach der Stärkung wandern wir über Sangebuchtweg und Sommerfieldring zum Alten Friedhof Wannsee. Auch dort fanden Prominente die letzte Ruhe, etwa der Architekt Hans Poelzig und der „Eiserne Gustav“ Hartmann. Letzterer wurde berühmt, als er 1928 gegen die steigende Zahl von Autos protestierte, indem er mit seiner Droschke von Berlin nach Paris fuhr. Später kümmerte er sich um die Hinterbliebenen von Droschkenkutschern.

Dorfkirche von Friedrich August Stüler

Auf der Friedenstraße geht es danach weiter zum Wilhelmplatz, der früher Mittelpunkt des Dorfes Stolpe war – aus ihm ging Wannsee hervor. Sehenswert ist die Dorfkirche, die Friedrich August Stüler 1858 erbaut hat.

Wannsee: Besuch beim Eisernen Gustav

Wir machen einen Abstecher zur Alsenbrücke und wandern danach über die Chaussee- in die Alsenstraße. In Haus Nr. 11 hat einst der Eiserne Gustav gelebt. Es geht noch ein Stück weiter bis zur Straße Am Kleinen Wannsee. Hier hat der Berliner Fußball-Verband seinen Sitz. Ein Stück entfernt steht das prachtvolle Gebäude der Rheumaklinik. Jetzt ist es nur noch ein kleines Stück bis zur vielbefahrene Königstraße und zum S-Bahnhof. Bevor Sie den See wieder verlassen: Haben Sie an die Badehose gedacht? Dann nüscht wie ins  Strandbad Wannsee!

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