Kinder lieben es, über Baumstämme zu balancieren. Als Erwachsene haben wir meist vergessen, welchen Spaß das macht. Dabei ist Balance-Training auch noch richtig gesund: Es ist eine effektive Methode, Muskeln zu kräftigen, die Leistung zu steigern und Verletzungen vorzubeugen. Auch Feinmotorik und Koordination profitieren davon. Grund genug, es mal auszuprobieren. Das geht sogar ohne Baumstamm.
Was ist Balance-Training?
Auf einem Bein zu stehen ist keine große Leistung. Aber versuchen Sie doch mal, das mit geschlossenen Augen zu machen. Dann wird es eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Denn hier kommt der Gleichgewichtssinn zum Einsatz. Der sorgt dafür, dass sich der Körper ausbalanciert bewegt. Er setzt sich aus vier Einzel-Sinnen zusammen:
- vestibuläre Wahrnehmung (hier nimmt das Gleichgewichtsorgan im Innenohr Dreh-Bewegungen und Beschleunigung wahr)
- visuelle Wahrnehmung (sie steuert die Orientierung im Raum über das Sehen)
- Tiefensensibilität (auch propriozeptive Wahrnehmung genannt – sie sorgt dafür, dass das Gehirn Informationen über Veränderungen in der Körperhaltung bekommt) und
- Tastsinn
Die Sinne melden die Reize an das zentrale Nervensystem, das entsprechende Signale an die Muskulatur schickt – etwa, um einen Sturz zu verhindern. Bei Menschen, die tagsüber lange sitzen oder älter sind, lassen die Fähigkeiten des Gleichgewichts nach. Zum Glück können Sie in jedem Alter viel tun, um den Gleichgewichtssinn zu verbessern. Balance Training ist sogar wichtig, denn Sie können damit auch Ihre Haltung und Ihr Körpergefühl verbessern. Die Übungen helfen dabei, die Tiefenmuskulatur rund um Rumpf und Wirbelsäule zu kräftigen. Wenn Sie regelmäßig trainieren, schützen Sie sich vor Rückenschmerzen und Beschwerden in den Knien. Auch die Koordination und Motorik werden verbessert. Kein Wunder, dass auch Profi-Sportler solche Übungen machen.
Ganz einfach ohne Geräte trainieren
Sie müssen nicht immer ein Extra-Training einplanen. Auch im Alltag können Sie immer wieder etwas für Ihren Gleichgewichtssinn tun. Grundsätzlich geht es darum, mit Instabilität zu arbeiten, etwa, indem Sie nur auf einem Bein oder auf einem unebenen, flexiblen oder wackeligen Untergrund stehen. Gehen Sie zum Beispiel in Ihrer Wohnung häufiger mal auf den Zehenspitzen (am besten barfuß) oder stellen Sie sich auf ein Bein, während Sie Ihre Zähne putzen. Anfangs ist das ungewohnt, aber Sie bekommen den Bogen ganz schnell raus. Auch das Socken-Anziehen können Sie, auf einem Bein stehend, zum kleinen Training machen.
Probieren Sie doch auch mal die am Anfang dieses Artikels erwähnte Übung mit dem Einbeinstand aus: Stellen Sie sich neben eine Wand, ohne sie zu berühren. Die Füße stehen etwa hüftbreit auseinander. Heben Sie dann ein Bein an (wie hoch, können Sie selbst entscheiden). Halten Sie das eine Weile. Das ist der erste Teil der Übung, der auch schon sehr gut fürs Gleichgewicht ist. Und dann wiederholen Sie die Übung, diesmal allerdings mit geschlossenen Augen. Das fühlt sich gleich ganz anders an, stimmt’s? Falls es allzu wackelig wird, können Sie die Wand zwischendrin als Stütze nehmen.
Übungen für zuhause
Zehenstand: Stellen Sie sich hüftbreit hin und heben Sie beide Fersen an. Halten Sie die Position möglichst lange. Tipp: Wenn Sie dabei leicht wippen oder die Übung auf einem Bein durchführen, wird es schwieriger.
Standwaage: Stellen Sie sich aufrecht hin und spannen Sie den Bauch fest an. Dann bewegen Sie den Oberkörper nach vorne und heben gleichzeitig ein Bein nach hinten – strecken Sie es möglichst gerade aus und so hoch, dass Oberkörper und das gestreckte Bein eine Linie bilden. Die Arme werden nach vorne oder zur Seite ausgestreckt. Halten Sie die Position ein paar Atemzüge lang und wiederholen Sie sie mit dem anderen Bein. Falls Sie sich unsicher fühlen, stellen Sie sich für diese Übung nahe an eine Wand, damit Sie sich gegebenenfalls festhalten können. Tipp: Wenn Sie geübter sind, können Sie versuchen, die Übung auf einem unebenen Untergrund, etwa einem Kissen, zu machen.
Einbeiniger Stand: Stellen Sie sich hüftbreit hin und strecken die Arme zu den Seiten aus. Dann heben Sie ein Bein und lassen den Unterschenkel hin- und herpendeln. Dabei die Hüfte mitbewegen. Das Tempo können Sie selbst bestimmen – je schneller, desto mehr Muskeln werden gefordert. Anschließend mit dem anderen Bein wiederholen.
Ausfallschritt: Diese Balance-Training-Übung ist auch unter dem englischen Namen „Lunges“ bekannt, man trainiert damit die Muskeln von Beinen und Gesäß. Aber nicht nur das – auch der Gleichgewichtssinn wird gefordert. So geht’s: Stellen Sie sich aufrecht hin. Dann machen Sie mit einem Bein einen großen Schritt nach vorne und beugen es im 90-Grad-Winkel an. Achten Sie darauf, dass das Knie des vorderen Beins auf Höhe der Knöchel ist. Das hintere Bein bringen Sie mit dem Knie fast zum Boden. Das Gesäß sollte etwa auf einer Linie mit dem hinteren Knie liegen. Sie können die Ausfallschritte auch dynamisch ausführen und mit Gewichten, die Sie in den Händen halten, zusätzlich herausfordernder machen.
Planks mit gehobenen Armen und Beinen: Legen Sie sich auf den Bauch. Dann drücken Sie Ihren Körper nach oben, bis er eine gerade Linie bildet. Die Arme sind gestreckt, die Fußspitzen aufgestellt. Heben Sie jetzt immer gleichzeitig den linken Arm und das rechte Bein an, setzen nach einigen Atemzügen wieder ab und wechseln die Seite. Das ist sehr anstrengend. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es nicht gleich klappt!
Auf der Linie stehen: Stellen Sie sich hin und setzen Sie einen Fuß so vor den anderen, dass die Ferse des vorderen die Zehenspitzen des hinteren Fußes berührt. Mit geschlossenen Augen können Sie die Übung schwieriger machen.
Vierfüßlerstand mit gehobenen Armen und Beinen: Bewegen Sie sich in den Vierfüßlerstand. Dann heben Sie den linken Arm nach vorn und schieben gleichzeitig das rechte Bein nach hinten. Einige Sekunden halten, dann wechseln.Wenn Sie im Sommer in der Natur unterwegs sind, können Sie Ihr Balance-Training auch dort ausführen. Balancieren Sie doch mal barfuß über einen liegenden Baumstamm oder gehen Sie auf weichem Untergrund ein paar Meter auf den Zehen. Probieren Sie es einfach mal aus!
Mit Geräten trainieren
Das Balance-Training mit dem eigenen Körpergewicht ist am einfachsten, Sie können Ihr Gleichgewicht aber auch mit unterschiedlichen Geräten trainieren. Am bekanntesten sind sogenannte Balance Disks, im Volksmund auch als „Wackelbrett“ bekannt. Ihre Form erinnert ein bisschen an große Kreisel – ein kreisrundes Brett ruht auf einer in der Mitte angebrachten Halbkugel, die das Brett instabil macht, wenn Sie sich darauf stellen. Es gibt auch noch Variationen wie den Balance Ball (eine meist nicht zu stark aufgepumpte Halbkugel) oder das Balance Board, das aus einem Brett mit einer Rolle darunter besteht. Mit diesen Geräten können Sie Übungen wie Kniebeugen, Planks oder Liegestütz herausfordernder machen. Das bringt Abwechslung ins Training und ist sehr effektiv.
Auch Gymnastikbälle lassen sich gut fürs Balance-Training einsetzen (Sie können sich z.B. mit den Unterarmen, aber auch mit den Beinen darauf abstützen und so nicht nur Ihre Bauchmuskeln, sondern auch Ihre Balance trainieren). Ähnliches gilt fürs Mini-Trampolin und für die Slackline. Beide Geräte machen zudem richtig viel Spaß!
Tipp: Für den Neueinstieg sind Balance Disks die beste Empfehlung, während für Balance Ball und Balance Board schon etwas Erfahrung empfehlenswert ist.
Für wen ist Balance-Training geeignet?
Hier gibt es keine Einschränkungen – es eignet sich für jedes Alter und ist für Einsteiger wie für Profisportler ideal. Damit ist es gut als Ergänzung für Ihre Lieblingssportart. Wenn Sie ganz neu einsteigen, sollten Sie vorher einen Termin mit einem Personal Coach machen, damit Sie die richtigen Bewegungsabläufe kennenlernen.
Wenn Sie allein trainieren möchten, ist es ratsam, sich einen Platz zu suchen, an dem eine Wand oder ähnliches in Griffweite ist – hier können Sie sich festhalten, falls es sehr wackelig wird.
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