MBSR kann das ganze Leben verändern

Von Silke 31. August 2023 Kommentare 7 Min. Lesezeit
Gehmeditation gehört auch zum MBSR-ProgrammGehmeditation gehört auch zum MBSR-Programm Foto: Brian Mann / Unsplash

Entspannen ist schwer, Abschalten ebenfalls. Zu oft geht uns noch Dieses und Jenes durch den Kopf, wenn wir uns eigentlich ausruhen wollen. Aber es gibt wirkungsvolle Methoden, es doch noch zu schaffen. Eine davon ist MBSR. Die vier Buchstaben stehen für „Mindfulness Based Stress Reduction“, also Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Dahinter verbirgt sich ein Programm, das Menschen effektiv dabei hilft, zur Ruhe zu kommen. Entwickelt wurde es 1979 vom US-Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn.

MBSR ist frei von Religion und weltweit verbreitet

Er ist Gründer der Stress Reduction Clinic an der University of Massachusetts Medical School. Und entwickelte dort das MBSR-Programm, das eine Mischung aus Buddhismus, Yoga und Zen ist, dabei frei von Religion und inzwischen weltweit verbreitet.

Achtsamkeit und Körperwahrnehmung

Das Programm besteht aus Übungen zur Achtsamkeit und Körperwahrnehmung. Es dauert acht Wochen und wird meist in der Gruppe absolviert. Die Teilnehmer lernen den Body-Scan, Achtsamkeit im Alltag, unterschiedliche Yoga-Positionen sowie Meditation im Sitzen und Gehen. Wer mitmacht, bekommt auch Aufgaben für Zuhause, damit er die Übungen wirklich verinnerlicht.

Besserer Schlaf, weniger Stress

Die acht Wochen können tatsächlich das ganze Leben verändern. Achtsamkeitstraining verbessert den Schlaf, reduziert Stress, sorgt dafür, dass man Beschwerden als weniger quälend empfindet. Man kann sich besser konzentrieren und wird leistungsfähiger.

Wirksamkeit durch Studien bewiesen

Die Wirkung von MBSR ist in vielen klinischen Studien bestätigt worden. Bilder aus dem Magnetresonanztomografen zeigen, was durch Achtsamkeitsmeditation im Gehirn passiert. Tatsächlich verändern sich bestimmte Bereiche des Hirns: Der Mandelkern, in dem das Angstzentrum sitzt, schrumpft, während der für das Gedächtnis zuständige Hippocampus wächst. Die Zahl der grauen Zellen und die Substanz, die die Aufmerksamkeit steuert, wachsen. Selbst im Blut verändert sich etwas.

Krankenkassen fördern die Teilnahme an dem Programm. Für Jon Kabat-Zinn war es dabei wichtig, Wissenschaft und Meditation zu verbinden – und zwar so, dass es für jeden gut und einfach verständlich ist.

Kursprogramm auch für zuhause 

Wer keinen Kurs buchen möchte, kann MBSR auch per Buch zuhause lernen. Und es lohnt sich, denn es geht darum, seine eigene Achtsamkeit, Präsenz und Selbstwahrnehmung zu schulen. Außerdem lernt man mehr über die eigenen Stress-Auslöser und erfährt, wie man mit schwierigen Gefühlen umgeht, achtsam kommuniziert und eine gesunde innere Haltung zu erlangen. Ein großer Vorteil: Der innere Autopilot, mit dem die meisten Menschen leben, wird abgeschaltet. Im Gruppenkurs ist das besonders effektiv, weil man mit Gleichgesinnten in Kontakt kommt.

Worum geht es genau bei MBSR?

Natürlich lernen die Teilnehmer erst einmal, was Achtsamkeit überhaupt ist. Das ist schwieriger, als man meinen könnte, denn es geht darum, die Geschehnisse um sich herum mit allen Sinnen wahrzunehmen. Also: Bewusst atmen, gehen, essen… Und dann erfahren sie viel über die Prinzipien der Achtsamkeit. Was ist das?

Die sieben Prinzipien der Achtsamkeit

  1. Nicht urteilen. Das ist besonders herausfordernd, denn wir bewerten viele Dinge, ohne es wirklich zu bemerken. Nicht urteilen bedeutet: Wir entwickeln eine offene innere Haltung, ohne etwas zu bewerten oder zu interpretieren.
  2. Geduld haben. Auch das ist in der heutigen Zeit nicht einfach, aber es lohnt sich, es zu lernen: Wir erfahren, dass die Dinge Zeit brauchen. Wir ziehen ja auch nicht am Gras, damit es schneller wächst oder öffnen den Kokon eines Schmetterlings, damit er einfacher herauskommt. Wenn wir Geduld haben, sind wir für jeden Augenblick empfänglich und bereit, ihn anzunehmen. Wir befinden uns im Hier und Jetzt.
  3. Den Anfängergeist wiederbeleben. Alle Geschehnisse haben mehrere Wahrheiten. Wir sehen sie nicht so, wie sie sind, sondern so, wie wir sind. Das liegt daran, dass wir Meinungen darüber haben und verlernt haben, im Alltag das Besondere zu sehen. Kinder haben diesen Anfängergeist noch: Sie betrachten die Dinge voller Neugier – ohne Erwartungen oder Meinungen, sondern ganz offen.
  4. Vertrauen haben. Viele Menschen sind nicht mehr daran gewöhnt, auf die eigenen Gefühle und die Signale ihres Körpers zu vertrauen. Sie richten sich eher nach dem, was ihnen andere Menschen sagen. MBSR kann helfen, das Vertrauen in sich selbst wiederzubekommen.
  5. Nichts erzwingen. Selbstoptimierung ist im Trend, und das macht auch vor dem Entspannen-Wollen nicht halt. Das Problem: Wenn es uns nur darum geht, etwas zu erreichen, geht die Achtsamkeit verloren, weil wir nicht mehr wahrnehmen, was gerade ist.
  6. Akzeptieren, was ist. Auch das ist eine Herausforderung, denn es wird oft missverstanden. Es geht darum, erst einmal anzuerkennen, was ist. Beispiel: Sie sind übergewichtig. Akzeptieren Sie diese Tatsache. Das heißt nicht, dass Sie sie gut finden müssen. Aber nur dann, wenn Sie es akzeptieren, ist Veränderung möglich.
  7. Loslassen. Kennen Sie diese Momente, in denen sich der Kopf nur mit einem einzigen Thema beschäftigt? Sie können nicht schlafen, bekommen Verspannungen im Nacken, können nicht mehr klar denken, weil da immer dieses Thema ist. Hier ist Loslassen zwar schwer, aber wirklich hilfreich. Denn Sie befreien sich aus dem Klammergriff der Grübelei und konzentrieren sich auf das Hier und Jetzt. Das klärt den Kopf.

Es lohnt sich wirklich, diese Grundsätze zu üben. Seien Sie geduldig mit sich – das geht nicht von heute auf morgen. Aber Sie werden merken, was sich bei Ihnen verändert!

Die Sinne wiederentdecken

MBSR ist aber noch mehr. Es geht darum, seine Sinne wiederzuentdecken. Und jeden Augenblick intensiv wahrzunehmen. Im Programm gibt es Übungen, mit denen Sie das lernen können.

Eine der bekanntesten ist die Rosinen-Meditation. Sie unterstützt Sie dabei, sich auf Ihre Geschmacksempfindungen zu konzentrieren. Sie brauchen dafür eine Rosine (manche nehmen auch ein Gummibärchen). Schauen Sie sich die Frucht erst einmal genau an. Welche Form hat sie, wie sieht ihre Oberfläche aus? Ist sie rau oder glatt? Lassen Sie sich Zeit mit dem Erkunden.
Danach nehmen Sie die Rosine in die Hand und riechen daran. Welche Aromen können Sie wahrnehmen? Anschließend berühren Sie sie mit den Lippen. Wie fühlt sich das an?
Im nächsten Schritt legen Sie sich die Rosine auf die Zunge, und dann beginnen Sie, sie langsam zu zerkauen. Achten Sie darauf, wirklich alle Sinne auf die Rosine zu fokussieren. Diese Übung hilft Ihnen dabei, im Augenblick zu bleiben und alle winzigen Details wahrzunehmen.

In späteren Übungen können Sie eine ganze Mahlzeit auf diese Weise verspeisen. Betrachten Sie das Essen auf dem Teller, riechen Sie daran und beginnen Sie erst danach, den ersten Bissen zu nehmen. Essen Sie langsam und nehmen alle Geschmacks-Nuancen intensiv wahr. Angenehmer Nebeneffekt: Sie brauchen länger für Ihr Essen und bleiben entsprechend länger satt.

Bodyscan und Meditationen

Sehr effektiv ist auch der Bodyscan. Den können Sie am besten morgens oder abends im Bett durchführen. Legen Sie sich lang ausgestreckt hin und beginnen Sie dann, in Gedanken durch Ihren Körper zu gehen. Beginnen Sie mit den Zehen und nehmen Sie in kleinen Schritten jeden Bereich des Körpers wahr.

Meditation im Sitzen ist bekannt. Sie setzen sich aufrecht, aber entspannt auf einen Stuhl oder ein Meditationskissen. Legen Sie die Hände auf den Oberschenkeln ab, schließen Sie die Augen. Konzentrieren Sie sich dann für ein paar Minuten nur auf Ihren Atem: ein… und aus…., ein… und aus… Nehmen Sie wahr, wie die Luft durch die Nasenlöcher einströmt und wie sich Ihre Bauchdecke hebt und senkt. Wenn Gedanken kommen, schieben Sie sie sanft beiseite und kehren zum Atem zurück.

Meditation im Gehen ist schon etwas schwieriger. Wir sind daran gewöhnt, im Stechschritt durch unseren Alltag zu gehen. Hier aber geht es darum, wirklich langsame Schritte zu machen. Beginnen Sie damit, sich hinzustellen und den Boden unter Ihren Füßen wahrzunehmen. Danach machen Sie einen langsamen Schritt. Setzen Sie den Fuß ganz bewusst auf und rollen Sie ihn ab, dann folgt der nächste Schritt. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf die Wahrnehmungen und auf die Schritte.

MBSR für den Alltag

Viele der Dinge, die Sie beim MBSR lernen, können Sie auch gut in den Alltag einbauen. Das Essen (siehe oben), aber auch das Fokussieren auf das Hier und Jetzt. Auch wenn Multitasking immer noch sehr gefeiert wird: Es ist keine erstrebenswerte Eigenschaft. Und vor allem keine gesunde. Konzentrieren Sie sich auf die eine Tätigkeit, die Sie gerade tun. Wenn Sie essen, sollten Sie weder aufs Smartphone schauen, noch lesen oder telefonieren. Wenn Sie telefonieren, verzichten Sie darauf, nebenbei Mails zu lesen. Ihnen fallen bestimmt noch andere Beispiele ein! Sie werden schnell merken, dass sich Ihre Laune hebt und die Leistungsfähigkeit steigt.

MBSR hat noch mehr Lektionen. Dazu gehören der Umgang mit dem inneren Kritiker, die Kunst des Zuhörens und das achtsame Bewältigen von Stress. All diese Übungen sind hilfreich, um liebevoller mit sich und anderen umzugehen. Yoga-Übungen sind ebenfalls dabei. Sie helfen Ihnen, das Zusammenspiel von Körper und Geist besser wahrzunehmen, die Signale Ihres Körpers zu spüren und festzustellen, wo Ihre Grenzen sind.

Hier erfahren Sie mehr

Es gibt gute Bücher (z.B. „Stressfrei durch Meditation: Das MBSR-Kursbuch nach der Methode von Jon Kabat-Zinn“ oder „Achtsamkeitstraining“ von Jan Eßwein – bei beiden Büchern sind CDs dabei), Online-Kurse und natürlich Gruppentrainings. Die Krankenkassen bezuschussen diese Kurse mit bis zu 100 Prozent – erkundigen Sie sich bei Ihrer Kasse nach den Angeboten. Das Durchlaufen des Programms lohnt sich wirklich sehr!

Wenn Sie mehr über MBSR erfahren möchten, sind die Bücher von Jon Kabat-Zinn empfehlenswert (z.B. „Gesund durch Meditation“ und „Im Alltag Ruhe finden“). Auch beim MBSR-Verband Deutschland bekommen Sie wertvolle Informationen.

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